Expliziter Waschbärencontent

Auf einem unserer Dachböden rumpelte es seit Jahren immer mal kräftig – und roch auch sehr streng. Aber wer ist da zugange? Eine Kamera brachte Gewissheit und viel kurzweiliges Material.

Tiere ungefragt filmen gehört ja schon länger zu meinem Zeitvertreib – seien es Igel und Meise an der Mausefalle oder Eichhörnchen beim exzessiven Ablecken von Blumentöpfen . Ende letzten Jahres wollte ich herausfinden, was da immer wieder über den Dachboden poltert. Das Projekt nannte ich zunächst „Mardercam“, musste den Arbeitstitel nach den ersten Aufnahmen aber korrigieren:

Mich hatte gleich fasziniert, wie sicher das Tier sich dort bewegt – der Raum ist nur durch den Infrarotscheinwerfer der Kamera beleuchtet, also für normale Augen stockdunkel. Aber Waschbären orientieren sich stark über Geruchs- und Tastsinn, wie ich aus dem höchst ausführlichen Wikipedia-Artikel lernen durfte.

Das nächste Video zeigt, dass der Waschbär nicht nur sehr verspielt ist, sondern auch beginnt, sich für die Kamera zu interessieren:

Das Interesse an der Kamera nimmt zu – hier kann man dem Waschbären tief in den Schlund schauen und erahnen, wie es zu den Bißspuren in der Linse kam. Ob das auch Spiel war, oder Hunger, oder eine erste Protestaktion gegen das Filmen im Privatbereich – wer weiß…

Laut Wikipedia sind die Tiere im Grunde sehr reinlich und erleichtern sich z.B. innerhalb des Reviers immer an den selben „Klostellen“. Eine davon war offensichtlich dieser Dachboden – damit wäre die Frage nach der Herkunft des strengen Geruchs geklärt. Aber was geschieht da? Kaum filmt man einen Waschbären beim Sch***en, taucht ein zweites Tier auf und wirft sich vor die Linse, um die Privatsphäre zu wahren!

Kurz darauf werfen sich sogar zwei Tiere vor die Linse, um das dritte vor dem Blick der Kamera zu schützen:

Ein paar Tage später beginnt sich das Interesse an der Kamera zu verschieben. Eines der Tiere scheint bei jedem Besuch über die Kamera hinwegzusteigen und… was tut es da bloß?

Wie findet man das raus? Natürlich indem man eine zweite Kamera installiert, die auf die erste gerichtet ist. Huch! Jetzt bitte nicht rot werden:

Wischt sich das Tier den Hintern ab? Wird die Kamera (immerhin angenehm geformt und durch die eingebauten Infrarotlampen auch schön warm) als Waschbärendildo missbraucht? Jedenfalls wird sich diese Szene in den kommenden Wochen viele Male wiederholen. Die Linse ist ab hier leider häufig verschmiert – lustige Szenen mit balgenden und raufenden Waschbären gibt es aber dennoch:

Wer jetzt meint, dass die beiden hier doch recht grob miteinander umgehen – sie können auch sehr zärtlich:

Einmal verschlafen sie einen ganzen Tag (Waschbären sind nachtaktiv) vor der Kamera und kuscheln sich alle paar Minuten so zurecht, dass auch ja immer maximaler Körperkontakt besteht:

Hatte ich zu Beginn mal Marder gesagt? Ja doch, der wieselt zwischendurch auch mal durchs Bild.

Auch nach Weihnachten wird eifrig weitergerauft. Sehr niedlich fand ich in dieser Sequenz, wie beide immer wieder innehalten, als fragten sie sich: „Wo war ich grade noch mal stehengeblieben?“ (…) „Ach ja, Raufen! Huarrrr, Attacke!!!“

Und dann können sie einander wieder nicht nah genug sein. Näher! Und näher! Und [ärrch…] noch! näher!

Aber hier… also da wird dann aus Raufen… und Kuscheln doch …Begatten?

Aber Waschbärenp*rno ohne den Konsent aller Beteiligten eingeholt zu haben? Geht natürlich gar nicht. Zum Glück weiß Bär sich zu helfen und sabotiert mal eben die Kamera:

Zum Glück gibt es noch die zweite Kamera, mit der sich der Übeltäter auf frischer Tat ertappen lässt:

Und dann geht’s gleich hemmungslos weiter unter’m Kamerastativ…

Und wenn der Lüstling allzu lästig wird: hinterrücks abwerfen und eine scheuern! Dann lässt er zumindest für einen Moment ab.

Ein andermal ist dann aber wieder sehr einträchtiges Playfighten dran:

Die Videos sind übrigens absichtlich stumm. Im Raum unter diesem Dachboden steht ein Telefon – es wäre unvermeidlich gewesen, Gespräche aufzuzeichnen. Schade, oft hätte ich zu gerne gehört, wie sie einander beim Balgen anfauchen (so zumindest stelle ich es mir vor).

Von solchen Balgereien gibt es unzähligen Aufnahmen – oft eine halbe Stunde am Morgen und eine weitere halbe Stunde am Abend. Aber… hey! Moment! Hinterrücks anschleichen und in den Schwanz beißen? Klarer Regelverstoß!

Tja, was macht man nun mit so niedlichen Scheißern? Waschbären sind eine eingeschleppte Art, haben keine Fressfeinde (schön für sie!) und vermehren sich dadurch ziemlich unkontrolliert. Also war „Entnehmen“, wie der Jäger vornehm sagt, zunächst eine valide Option. Denn Waschbären richten eine Menge Schaden an, auch abseits von vollgekackten Dachböden. Sie räubern Nester und jagen verschiedenste Tiere.

Der regionale Jagdverband fühlte sich jedoch nicht zuständig und verwies auf den Kammerjäger. Von dem kamen aber auch nur Ausflüchte („das kostet aber Geld, wenn wir kommen“). Der ortsansässige Tierschutzverband plädierte vehement gegen das Töten, ein befreundeter Jäger wiederum erklärte, es sei ihm nicht gestattet, auf unserem (!) Gelände zu jagen.

Die Jagd- und Fischereibehörde widersprach dem zwar: „bei Problemen mit Waschbären auf befriedeten Bezirken kann der Eigentümer einen Jäger mit dem Fang beauftragen“ und bestätigte mir auch, dass „es sich um eine durch die EU eingestufte gebietsfremde invasive Art handelt“. Anschließend bewarf sie uns aber mit Formularen, in denen wir ausführlich begründen sollten, wer wann weshalb auf welche Weise welches Tier bejagen wolle. Die Bearbeitung des Antrags – so hatte uns der Kammerjäger gewarnt – zöge sich anschließend hin, so dass bis dahin vermutlich die Jahreszeit begonnen habe, in der die Tiere dann doch nicht bejagt werden dürften, weil sie möglicherweise Nachwuchs pflegten.

Von anderer Seite hieß es wiederum, dass das Bejagen gar nichts bringe, weil die Tiere ihre Fortpflanzungsrate der Menge der Tiere im Revier anpassten – je mehr Entnahme, desto mehr Nachwuchs.

Also taten wir schließlich nichts von alledem und räumten lediglich den Dachboden gründlich auf. Neben altem Elektromaterial und Kohlenbriketts fanden sich auch Strohsäcke (kuschelig!), ein paar Zeitungsfetzen aus den 1940er-Jahren und ein Telegramm aus der selben Zeit. Am Abend waren Unmengen Schutt, Müll und Scheiß abtransportiert. Und die Waschbären waren völlig perplex und schnupperten volle zwanzig Minuten jeden Winkel des Dachbodens ab:

Die folgende, letzte Szene ist herzzerreißend. Wie der eine Waschbär den anderen anschaut, die Pfote hebt, als sage er „Jetzt sag‘ doch auch mal was!“ und sich dann resigniert trollt – das kann einem glatt nahegehen.

Tja, das ist das Ende der Geschichte. Ich weiß nicht, ob die beiden zwischenzeitlich anderswo einen ähnlich gemütlichen Dachboden gefunden haben. Irgendwo in einem Winkel meines Herzens wünsche ich es ihnen.

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