Zwischen den Welten, im Sommer

Nach meinem ersten „Live-Kontakt“ mit dem CCC-Umfeld am vergangenen Jahresende nun mein erster Besuch auf einem „echten“ Chaos Communication Camp.

Zu Hause ist gerade das jährliche Sommercamp zu Ende gegangen: zehn Tage mit 250 Gästen – „Friedenslabor der Gegenwart“. Danach ergreifen viele meiner Gemeinschafts-Homies erst mal die Flucht. Ob da das CCC ein geeignetes Erholungsprogramm ist – fünf Tage, hunderte Veranstaltungen, 6000 Menschen? Zumindest Abstand und Weltenwechsel scheinen gesichert. Ich stelle mich auf angenehmste Überwältigung ein. Spoiler: das CCC enttäuscht nicht.

Tag 1: erste Orientierung und Mobilität…

Am Anreisetag reichen die wenigen Minuten in der prallen Sonne während des Zeltaufbaus, um mir für den Rest des Tages Kopfweh zu bescheren. Nach zehn Tagen mit kühlem, durchwachsenem Wetter knallt hier unbarmherzig die Sonne. Ich freue mich, in der Nähe meines Zeltplatzes das Bits & Bäume-Village zu entdecken, und besuche dort eher random den ersten Vortrag: Humanitäre Prinzipien als Werkzeug in der Not- und Katastrophenhilfe.

Beim Schlendern übers Gelände stolpere ich über eine Menge freakiger Projekte, etwa ein motorisiertes Bobbycar (Vmax angeblich 100 km/h). Es gibt in der Heimat des Schraubers wohl interessante Gesetzeslücken für so was (Bobbycar = Spielzeug → muss auf dem Gehweg fahren → dort keine Geschwindigkeitsbeschränkung und keine Pflicht zum Nummernschild). Allerdings habe er sich auch schon mal ein Bein gebrochen bei einem Sturz aus voller Fahrt.

Andere haben für die vorhandenen Schmalspur-Schienen gleich ihre eigene Museumsbahn mitgebracht – jahrzehntealte kleine Dieselungetüme, die morgens angekurbelt werden und dann samt Passagierwaggons, „Bordgastronomie“ und Bällebad-Waggon übers Gelände tuckern.

…Infrastruktur…

Zur Infrastruktur eines Hackercamps gehört neben (Kompost-)Toiletten und Duschen natürlich auch Internetzugang. Dazu stehen übers Gelände verstreut zahllose „Datenklos“ – Dixieklos, die zu Netzwerkverteilern umfunktioniert wurden. Selbstredend gibt es auch ein Grafana-Dashboard, das in diesem Moment mehrere GBit/s ein- und ausgehenden Traffics sowie knapp 6000 WLAN-Clients (aber auch die Zahl bereits geleisteter Ehrenamtsstunden) ausweist:

Ebenfalls zur Infrastruktur gehört ein internes DECT-Netz für Schnurlostelefone. Jede*r, die mag, kann dort für die Dauer des Camps eine Festnetznummer bekommen und ist dann auf dem gesamten Gelände erreichbar. Das wirkt erst mal „nice to have“, hat aber handfeste Vorteile. Zum einen kann ein ländliches Handynetz durchaus mal zusammenbrechen, wenn plötzlich 6000 Smartphones versuchen, sich einzubuchen. Zum anderen nutzen es die Arbeitsteams für die interne Kommunikation, und ich sehe auch viele Kinder mit DECT-Telefonen herumlaufen, über die sie für ihre Eltern erreichbar bleiben. Über die internen Notrufnummern erreicht man erst mal lokale Einsatzkräfte (inklusive des Awarenessteams).

Quelle: events.ccc.de

Nicht zuletzt haben viele DECT-Telefone eine so hohe Standby-Zeit, dass man locker ohne Aufladen durchs Camp kommt. Na ja gut, trotzdem lassen sich die Veranstaltis den Spaß nicht nehmen, auch noch ein eigenes Mobilfunknetz zu betreiben. Warum? Weil se’s können. Ach so, und ein analoges Telefonnetz betreiben sie auch noch, das sogar bis hinunter zu kurbelgetriebenen Feldtelefonen funktioniert. Weil… se’s können, und weil so auch für Menschen ohne DECT überall auf dem Platz kleine Stationen stehen, mit denen man die wichtigen Stellen intern anrufen kann.

Apropos Duschen…

Es gibt erfreulich viel queeres Leben am Platz, und die stereotypen Mann/Frau-Kategorien sind wenig sichtbar. Toiletten sind entweder all-gender oder unterscheiden lediglich zwischen „Sitzen“ und „Sitzen & Stehen“. Einige Duschen sind all-gender, daneben gibt es FLINTA*-SafeSpaces und auch ein paar Männer-Duschen.

…und ein erster Hack-Workshop.

Später am Nachmittag lande ich noch in einem Lockpicking-Workshop der Sportsfreunde der Sperrtechnik. Dort sitze ich in kleiner Runde mit einer Reihe Kinder und Jugendlicher (Hacker-Nachwuchs!) und lerne, wie man mit einfachem Werkzeug Schlösser öffnet. Der Einstieg ist wirklich lächerlich einfach – die meisten von uns brauchen nur ein, zwei Minuten, bis das erste Vorhängeschloss aufschnappt.

Viel mehr schaffe ich an diesem Tag nicht mehr, streife nur noch so übers Gelände und bin beschäftigt mit Überwältigt-Sein und grundlegender Orientierung auf dem Camp.

Tag 2: Vortrags-Marathon

Am Morgen des zweiten Tags finde ich mich schon halbwegs zurecht, auch dank der verschiedenen Camp-Apps, die Lageplan und Veranstaltungskalender bereitstellen. Toilette, Dusche, Kaffee, Frühstück… ✅. Als einziges handfestes Problem wächst sich die Suche nach einer Steckdose aus. Mit meiner freundlichen Frage, wo ich wohl meinen Laptop laden könnte, blitze ich bei den Veranstaltungstechnikern ab („Bei uns sicher nicht! Wir kümmern uns um die WICHTIGEN Sachen!“). Okay, Bro… Wenn man hier niemanden kennt, scheint das also die schwierigste Herausforderung, und ein Großteil des Vormittags geht drauf für die Suche nach einem gemütlichen Schattenplatz mit Steckdose.

Mittags um zwei beginne ich dann ungeplant einen Vortragsmarathon, der bis in den Abend gehen wird:

Ich beginne mit Freie interaktive Karten mit Versatiles, weil ich selbst immer wieder mit Kartendaten spiele, etwa auf BatchGeo. Die beiden Referenten arbeiten für den SWR bzw. die Funke Mediengruppe – schön, das hatte ich hier erst mal nicht erwartet.

Anschließend verpasse ich Fake 10Gb until you make 10Gb und bleibe gleich für unexpected coffee: a dive into industrial coffee machines. Die Referenten haben im vergangenen Jahr eine defekte Profi-Kaffeemaschine mit Touchscreen geschenkt bekommen. Die Schilderung der Fehlersuche und Reparatur ist sehr unterhaltsam, wobei die Tatsache, dass der eingebaute Linux-PC eine Windows-Anwendung ausführt, um an den Touchscreen eine Webseite auszuliefern, deren Daten ursprünglich für ein Dot-Matrix-Display gedacht waren, auch etwas scary ist.

Auch Our Time in a Product Review Cabal: And the malware and backdoors that came with it ist so unterhaltsam wie erschreckend: die Referenten erzählen, wie sie über Produkttests an verschiedenste „smarte“ Geräte kamen, kostenlos oder für geringes Geld. Unterhaltsam ist, wie leicht man kostenlos an die Geräte kommt; erschreckend ist, wie sehr sie mit Malware verseucht sind, die regelmäßig nach Russland oder China kommuniziert. Kritisch ist das etwa bei Kameras, die Bilder ungefragt in die Welt schicken, und die dermaßen schlecht geschützt sind, dass auch andere Unbefugte sich leicht Zugang verschaffen können.

Auf dem Weg zum nächsten Vortrag begegne ich den Menschen hinter Echokammernet, einem Kunstprojekt, das über umgebaute Baustellenleuchten ein #saytheirnames für die Opfer von Hanau abspielt. Das freut mich sehr, weil ein Freund kürzlich etwas ganz ähnliches gebaut hat.

Wieder zurück auf der Bits&Bäume-Bühne höre ich Fooled by the Website Carbon Calculator – Green Coding & Measuring the Environmental Impacts of IT. Fachlich komme ich nicht mit, aber hängen bleibt, dass eine gut geschriebene Webseite gegenüber der selben (nur schlecht geschrieben) 99% weniger Energie verbrauchen kann. Dass diese Zahl allerdings auf äußerst groben Schätzungen beruht, das aber – wenn man darum weiß – wiederum vielleicht gar nicht so schlimm ist.

…kann Gendern Leben retten?

Ein weiteres Leckerli ist der Chaos Science Slam, bei dem ich nicht nur den vierten Hauptsatz der Thermodynamik nach Daniel Mesa lerne („Wenn die Mama friert, muss die ganze Familie eine Jacke anziehen“), sondern auch, warum Gendern Leben rettet. Sarah Hiltner erklärt eindrücklich, wie erschreckend einseitig die Medizin bis heute auf den Mann als Maß der Dinge fokussiert ist, und Frauen (ganz zu schweigen von weiteren Identitäten) bestenfalls als Randgruppe, als Abweichung von der Norm wahrnimmt. Dabei reagieren nicht-männliche Körper teils völlig anders auf Medikamente und Krankheiten äußern sich in anderen Symptomen, was in Notfällen wertvolle Zeit kosten und lebensbedrohlich sein kann.

Auch Lilith Wittmanns Vortrag über ihren Bonify-Hack ist eine gewohnt gelungene Verbindung von Unterhaltung, Aufklärung und Praxisworkshop. Sie berichtet über die Hintergründe der Fusion von bonify und Schufa, wie erschreckend einfach es kurzzeitig war, die Schufa-Scores fremder Menschen abzufragen, und in welchen Ausnahmefällen sie einen Shitpost anstelle eines Responsible Disclosure für vertretbar hält.

Kreativität10

Danach komme ich meinen Plänen für weitere Vortragsbesuche nicht mehr hinterher. Schade ums Update zum DB Schnüffelnavigator (der regelmäßig in unserer Firewall hängenbleibt, weil… er eben so viel Tracking betreibt). Stattdessen habe ich meinen Glücksmoment des Tages, als ich vom zentralen Aussichtsturm über ein Festivalgelände schaue, das gespickt ist mit Licht- und Klanginstallationen und vor Kreativität und Spielfreude geradezu platzt:

270°-Blick übers nächtliche Festivalgelände, der natürlich nicht annähernd die Atmosphäre vor Ort einfangen kann (wie alle Bilder: Klick zum Vergrößern)

Was mir dann noch auffällt, als ich auf dem Heimweg an diversen Datenklos vorbeikomme: zu Hause bieten wir unseren Gästen ja WLAN an – an einem einzigen Ort und tagsüber. Damit die armen Häschen nicht so von diesem Internet abgelenkt werden. Hier gibt es diese Form von „Wir wissen, was gut für dich ist“ nicht – ich bin selbst dafür verantwortlich, wie oft ich auf’s Handy schaue und wann ich nachts den Laptop zuklappe. Das hat heute ziemlich gut funktioniert, ich war mit meinen Gedanken ziemlich viel hier. Oder anders gesagt: das Camp ist ausreichend interessant und ich habe kein Bedürfnis, „nach außen“ zu flüchten. Gut, zugegeben, unser Seminarformat ist stellenweise ein anderes – da ist es sicher sinnvoll, ganz abzutauchen und wenig Außenreize zu haben. Aber ich glaube, es steckt schon auch eine ordentliche Portion technikskeptischen bis -feindlichen Denkens hinter unserer Regelung. Mal schauen, wie lange wir die noch halten.

Tag 3: Kontakte knüpfen

Morgens halb neun im Flow: frisch geduscht, Kaffee, Croissant, Strom (von der Veranstaltungstechnik 🤭). Hoffentlich erwischen die mich nicht.

Weil meine Reisen ja auch dem Hinterfragen von Vorurteilen dienen (siehe Wer macht freiwillig Urlaub in Chemnitz? Oder in Erfurt?), möchte ich noch was zum Publikum hier schreiben. In den Köpfen der meisten Menschen, denen ich vor Abreise von diesem Camp erzählte, kamen als erstes Bilder von hängebäuchigen, nicht-mehr-ganz-jungen Männern hoch. Tatsächlich ist das Feld weitaus diverser. Ich sehe viele Familien mit Kindern jeglichen Alters, und die scheinen echt ihren Spaß zu haben auf diesem riesigen Abenteuerspielplatz. Ich sehe jede Menge queerer Menschen, die sich den Schubladen verweigern, die auch ich noch im Kopf habe. Divers ist das Camp auch bezüglich Nationalitäten, ich höre viel Englisch/Deutsch-Kauderwelsch. Und klar, es sind ganz sicher mehr männliche als weibliche Wesen hier, aber das Verhältnis ist ausgewogen genug, damit die Atmosphäre nicht in diese unangenehme „Männer-unter-sich“-Schiene rutscht.

Programm – auch divers

Nicht nur die Menschen sind vielfältiger, als eins erwarten könnte, auch das Programm ist es. Eine kleine Auswahl nicht-so-technischer Workshops:

By the way: alle Straßen auf dem Gelände sind Haecksen aus Wissenschaft und Forschung gewidmet:

Den Tag über notiere ich mir immer wieder anstehende Vorträge, besuche aber keinen einzigen. Stattdessen suche ich Kontakt beim Bits&Bäume-Village und beim Chaostreff Potsdam – meinem nächstgelegenen CCC-Ableger – und werde auch bei beiden freundlich aufgenommen. „Be excellent to each other“ at its best.

Am Abend ein weiteres Sahnestückchen des Camps: der Live-Podcast Logbuch Netzpolitik. Zu Gast ist Julian Hessenthaler, der 2019 ein politisches Erdbeben auslöste, indem er das Ibiza-Video veröffentlichte, das den österreichischen Vizekanzler Strache zum Rücktritt zwang. Hessenthaler wurde in Folge selbst zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt – aus seiner Sicht mit bewusst fadenscheiniger Begründung, um ein Exempel zu statuieren und mögliche Nachahmer abzuschrecken. Sein humorvoller und lebendiger Bericht lässt einen jeglichen Glauben in den Rechtsstaat verlieren – egal in welchem Land man lebt.

Tag 4: Engel im Himmel

Tags zuvor habe ich immer mal wieder überlegt, mich als Engel (aka Gasthelfer) zu melden, aber gezögert, weil ich meine Motivation nicht klar hatte. Schließlich registriere ich mich doch (Dazugehören und beitragen als Antrieb, vermute ich), und lege mir auch gleich noch eine interne Durchwahl zu (gesteigerter Coolnessfaktor). Anschließend zögere ich aber wieder. Das Engelsystem weist zahlreiche offene Aufgaben aus, und ich spüre den Sog, jetzt helfen zu müssen, meine Lethargie wegzudrücken und zu funktionieren. Aber dafür bin ich ja nicht hier.

Heute trete ich dann doch meine erste Schicht an, als Springer. Kenne ich ja bestens von unseren eigenen Festivals. Da sitzt man also im Himmel (aka Gasthelferkoordination) und wird spontan zu kleinen Einsätzen geschickt. Das gefällt mir: irgendwo hingehen und sagen: „Mich schickt der Himmel!“ Trotzdem braucht es gewisse Frustrationstoleranz – als Neuer bin ich für gefühlt 95% der Jobs nicht qualifiziert und fühle mich beim mäßig-orientiert-Klopapier-übern-Platz-verteilen auch nur mäßig wirksam.

Später „engele“ ich dann noch mal in der Spülküche und merke, dass mein Unbehagen möglicherweise daher rührt, dass ich hier ungewohnterweise keinerlei Verantwortung trage. Niemand wird mich auf meiner ach-so-coolen CCC-Durchwahl anrufen und sagen: „L., kannst du kommen? Wir brauchen dich hier dringend“. Das könnte ja auch was entspannen – Verantwortung trage ich zu Hause genug. In dem Moment schmerzt es aber erst mal: werde ich hier wie bei extinction rebellion und der Bits&Bäume-Bewegung auf ewig Zaungast bleiben? Meine Gemeinschafts-Bubble, die mich so sehr absorbiert, wirkt in dem Moment furchtbar klein. Aber vielleicht würde ich das andersrum ebenso empfinden.

Ich bin ganz offensichtlich an meinem Camp-Tiefpunkt angekommen. Um auf andere Gedanken zu kommen, besuche ich Debugging Microcontrollers – einen Vortrag, bei dem ich fachlich innerhalb der ersten Minute aussteige. Die enthusiastischen Erklärungen, wie man sporadisch auftretende Fehler in Drohnen-Betriebssystem innerhalb Millionen von Codezeilen auffindet, bringen mich in einen angenehm meditativen Zustand, so dass ich bereit bin für…

Hacken, dass…

Auf der Hauptbühne findet ein faszinierend detailgetreuer Nachbau von Wetten, dass… statt – natürlich mit leicht CCC-gefärbten Wetten. Dem ersten Kandidaten gelingt es, innerhalb von fünf Minuten den WAV-Mitschnitt eines Wetterfaxes allein mit Linux-Bordmitteln in das korrekte Bild zu übersetzen. Zwei weitere scheitern mit ihrer Wette, Mate-Sorten blind am Geschmack zu erkennen, die Story dahinter ist aber trotzdem lustig: „Es gab da diesen Wikipedia-Artikel über Tschunk (ein in CCC-Kreisen bekanntes Mischgetränk aus Mate und Rum), der gelöscht werden sollte, weil das Fehlen von Quellen bemängelt wurde. Also haben wir ein Buch über Mategetränke geschrieben und einen Verlag gefunden der bereit war, es zu drucken – damit lag eine Quelle vor und die Löschandrohung war vom Tisch“.

Zwischendurch witzelt eine der Wettpatinnen über Menschen, die allen Ernstes glauben, man könne Wasser „informieren“, etwa, indem man es mit klassischer Musik „bespielt“. Ich zucke kurz getroffen zusammen – in meinem Umfeld halten einige diese Idee nicht für abwegig.

Auch die Wette, mit der Staplergabel ein Netzwerkkabel in eine Netzwerkbuchse einzustecken, scheitert leider, ist aber ein weiteres Highlight, bei dem C3VOC zu Höchstform aufläuft – inklusive Live-Videoschalte zum Austragungsort der „Außenwette“. Fast schon wieder einfach, aber nicht weniger unterhaltsam ist die letzte Wette, bei der verschiedene Stecker blind mit mit dem Mund abgetastet und auf diese Weise identifiziert werden.

Tag 5… wait, what? Tag FÜNF?

So emotional wiederhergestellt lege ich mich schlafen und stelle mir den Wecker auf 4:40 Uhr, um noch ein paar Engelstunden zu reißen. Vielleicht schaffe ich es ja noch zum Engel-Shirt? Die gewählte Uhrzeit ist kein Zufall – Arbeitsstunden während der Nacht zählen doppelt. Während ich mit einem Begleiti einen der Eingänge bewache, fällt das Stichwort „Tag 5“. Moment mal – ist heute Abreisetag? Kommt gar nicht in Frage!

Mit einer letzten Engelschicht erzocke ich mir das ersehnte Engel-Shirt und komme dabei mit dem Macher des Kunstprojekts Aurora ins Plaudern. Mich spricht sehr an, wie er von dem Moment erzählt, als er sich dagegen entschied, mit seiner Kunst weiter mit maximalem Aufwand minimale Wirkung zu erzielen. Der Wunsch nach Vernetzung, nach Bündelung von Kräften für ein gemeinsames Ziel verbindet uns – schön. Darüber komme ich leider zu spät zum extrem vielversprechenden Workshop Demonstration of unconventional input-/output devices in a kinky context und werde wegen Überfüllung abgewiesen. Jetzt wird mir wohl auf immer verborgen bleiben, was es da zu lernen gegeben hätte 😟.

Stattdessen noch mal entspanntes last-minute-Festival-Hopping: abkühlen im See, Seenotrettungs-Nerd-Talk und schließlich Hängenbleiben bei Precious Plastic im Jugend-Village. Da ist’s nett – es entsteht zum ersten Mal ein Gefühl von Herzkontakt. Ein schöner Abschluss für dieses Camp, und okay, ein klein wenig zu Hause fühle ich mich jetzt doch – Rückkehr nicht ausgeschlossen.

Weswegen? „Be excellent to each other“ und „All creatures welcome“, zwei Leitmotive des CCC – das war hier an allen Ecken spürbar. Die Menschen hatten Spaß miteinander, ohne das primär mit Alkohol oder anderen Drogen zu befeuern. Dadurch fand ich die Atmosphäre angenehm ausgelassen-nüchtern. Dazu kommt das omnipräsente Awareness-Konzept, das die Veranstaltung zu einem ziemlich sicheren Ort macht (das kann ich als weißes cis-männliches Wesen natürlich nur ungenügend aus eigener Erfahrung einschätzen, aber so ist mein Eindruck). Meinen Respekt dem CCC für den Aufbau einer solchen Kultur – achtsam und respektvoll im Umgang miteinander, jedoch ganz ohne „Das macht was mit mir“ und „Da braucht’s jetzt wirklich was“. Es lebe der Weltenwechsel!

2 Antworten auf „Zwischen den Welten, im Sommer“

  1. Wenn ich das so lese, vergieße ich leise eine kleine Träne, dass ich mich heute eher mit gesellschaftlichen als mit technischen Systemen beschäftige 🥲
    „Demonstration of unconventional input-/output devices in a kinky context“ hätte mich auch mal interessiert… 🤣

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