Rumänien-Abenteuer: Holzstock-Festival, Filterblasen und waghalsige Bergtouren

Heimlicher Höhepunkt unserer Reise: das Holzstock-Festival in Holzmengen (Hosman). Das Festival ist unverrückbarer Bestandteil von A.s Jahresplanung, und so finden wir uns dort am Freitagnachmittag am Einlass ein.

Das Plakat des diesjährigen Holzstock-Festivals. Auch wir haben einen „Workshopuri“ angeboten und (auf englisch) vom Leben in Gemeinschaft erzählt.

Das Festival ist sehr überschaubar: 50 Lei (ca. 10€) Eintritt, und knapp vierhundert Gäste. Davon allerdings viele Tagesgäste – man stelle sich also eher zweihundert vor. Ausgerichtet wird es von einer Schar freiwiliger Helfer aus der Region.

Während der diesjährigen Vorbereitungen – so erfahren wir von einer Insiderin – gab es ein paar Zerwürfnisse im Orgateam, so dass das Festival letztlich innerhalb der drei Wochen vor Beginn aus dem Boden gestampft wurde. Davon merkt man aber wenig: Ton- und Lichttechnik sind äußerst professionell, und der Samstag ist ebenso voll mit Workshops wie die Abende es mit Konzerten sind.  Auch bei den Verpflegungsständen weiß man kaum, wo anfangen vor lauter Leckereien. Besonders sympathisch finde ich, dass einer der Verpflegungsstände (Popcorn und Zuckerwatte) außerhalb des Festivalgeländes aufgebaut wurde. So haben auch die Kinder aus dem Dorf was vom Festival.

nur ein winziger Ausschnitt der Festivalverpflegung – frisch vor Ort gekocht.

Für den Samstagmorgen um neun ist Yoga angesagt. Das lobe ich mir – auf unseren Festivals beginnen die Morgenangebote ja üblicherweise zu unrealistischeren Zeiten (halb acht). Weil um neun niemand da ist, wird der Beginn spontan auf zehn verschoben, und weil wir dann immer noch recht wenige sind, wird es schließlich halb elf, bis wir beginnen.

Rechts entlang macht man nichts falsch.

Am späten Vormittag bieten A. und ich einen kleinen Workshop an, bei dem wir ein wenig aus dem Gemeinschaftsleben-Nähkästchen plaudern. Eine schöne Überraschung ist, dass zwei Menschen von der Kooperative Longo Maï teilnehmen und von ihren Erfahrungen erzählen. So lernen auch wir noch etwas dazu und bekommen sogar noch eine spontane Führung über ihr Gelände, das sich im selben Ort befindet.

reger Austausch beim Workshop „Wie lebt es sich im Ökodorf?“ Foto-Credits: Dragos Dumitru

Bei der Rückfahrt nach Sibiu verpassen wir unseren Bus um wenige Minuten. Lange warten müssen wir trotzdem nicht, denn noch bevor wir – an der Haltestelle angekommen – den Daumen ausstrecken können, hält schon ein Autofahrer neben uns und bietet an, uns mitzunehmen. A. hatte schon angekündigt, dass es sich in Rumänien recht einfach trampen lasse, aber das übertrifft alle Erwartungen.

Zu Beginn der zweiten Woche ereilt mich ein Reisetief. Ich bin das gechlorte Leitungswasser leid, das wir seit einer Woche trinken, mich schlaucht das ständige Ein- und wieder Auspacken, das „Hab‘ ich wirklich nichts liegengelassen?“, und ich will einfach nach Hause. Aber davor wollen wir noch mal in die Berge, und das hebt die Stimmung wieder ein wenig.

Da wir jetzt keinen Mietwagen mehr haben, ist die Reiseplanung etwas komplizierter. Wir haben uns als Ziel Râmeț ausgesucht. Dort soll es drei Unterkünfte geben, von denen zwei recht schnell zurückmelden, dass sie ausgebucht sind. Die dritte ist ein Kloster mit angeschlossener Herberge, bei dem wir nicht sicher sind, ob sie uns unverheiratetes Paar zum – nun ja – Teufel jagen. Bei der Gelegenheit wird mir wieder bewusst, dass wir uns bei der Suche nach Unterkünften in einer Google-Maps und booking.com-Filterblase bewegen: es gibt sicher mehr als drei Unterkünfte in diesem Ort, und hätten wir am Morgen der Abreise einen Funken Abenteuerlust, würden wir einfach hinfahren und am Straßenrand schauen, wo Gästezimmer angeboten werden. Aber weil wir uns beide in den vergangenen Tagen etwas den Magen verdorben haben (Fett, Zucker, Bauchweh, you know…), gehen wir lieber auf Nummer Sicher und buchen eine Unterkunft in einem benachbarten Tal.

Mit dem Bus fahren wir zunächst nach Alba Iulia. Im Infobüro des Busbahnhofs sitzt eine Frau vor einem riesigen, von Hand vollgeschriebenen Buch. Die Busfahrpläne etwa? Wir erkundigen uns nach einem Bus Richtung  Poiana Galdei – unserem Reiseziel für den Tag. An der Ecke dort drüben werde demnächst ein weißer Bus halten, den sollen wir nehmen, orakelt die Frau. Tatsächlich ist es dann ein blauer Bus, und er hält strenggenommen auch nicht an jener Ecke, aber er fährt auf die Minute pünktlich ab und bringt uns sicher ans gewünschte Ziel. Passt doch.

In Poiana Galdei haben wir ein Zimmer, das sich nicht lüften lässt, weil der Hühnerstall des Nachbarn unmittelbar davor steht und recht streng riecht. Man kann höchstens, wenn es zu arg wird im Zimmer, kurz das Fenster öffnen und dagegenhalten, aber vermutlich beeindruckt das die Hühner nicht. Ansonsten ist die Unterkunft recht nett, für rumänische Verhältnisse beinahe skandinavisch-minimalistisch eingerichtet. Also keine Mikrofaser-Bettwäsche mit Apfelblütenduft und grellen Farbverläufen, das ist zur Abwechslung ziemlich angenehm.

Pension Cabana Poiana Galdei

Am Mittwoch brechen wir recht naiv zu einer kleinen Wanderung in die Berge auf. Am frühen Nachmittag landen wir hoch oben auf einem winzigen Hof mit gehörnten Kühen, Kälbchen, Katzen, Hühnern und Hunden – alle frei durcheinanderlaufend. Bei der Bäuerin füllen wir unsere Wasserflaschen und erkundigen uns nach dem weiteren Weg. Sie fragt immer wieder, wo unser Auto stehe, und versucht, uns den Weg „zurück zu eurem Auto“ zu weisen. Wir verraten ihr nicht, dass wir das Auto in Deutschland gelassen haben, das könnte sie verunsichern.

sagenhafter Ausblick vom Piatra Cetii
auch dieses Foto, wie alle anderen: Anklicken zum Vergrößern.

Nach diesem Zwischenstopp wird der Weg äußerst abenteuerlich, anstrengend und immer wieder auch recht gefährlich. Wir kämpfen uns schwitzend steile Etappen hinauf, bekommen die Beine von Brombeersträuchern und Brennnesseln malträtiert, rutschen in Kuhfladen aus oder um Haaresbreite Abhänge hinab und fluchen immer mal wieder, wenn wir das nächste Wegzeichen nicht finden können. Eine ganze Weile habe ich den Song von Feine Sahne Fischfilet im Ohr: „Ich bin komplett im Arsch, weiß nicht wohin es geht…“. Soundtrack des Tages. Als es Abend wird, wir immer noch hoch oben auf dem Berg herumstolpern und die Heimkehr nicht abzusehen ist, malt sich jede*r im Stillen seine eigenen Schreckensszenarien aus: dass wir es nicht zur Pension schaffen und der Vermieter uns am nächsten Tag als vermisst meldet. Dass uns des Nachts der Bär frisst. Solche Sachen. Schließlich schaffen wir es aber doch zurück bis zur Hauptraße und fallen nach acht Stunden Kraxelei völlig fertig ins Bett.

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