Podcast – what is it good for?

Wofür Podcasts gut sein sollen, hat sich mir lange nicht erschlossen. Zeitung lesen, Nachrichten hören, hier und da was im Internet lesen – gut ist, oder? Anfang 2020 habe ich das Format doch schätzen gelernt. Weshalb das so ist, was ich da höre, wie man das anstellt, und warum das politisch ist: hier.

Podcasts wurden für mich erst mit Installation einer Podcast-App auf dem Smartphone spannend. AntennaPod (siehe auch mein Beitrag zu Smartphone-Apps) ermöglicht es, Podcasts zu abonnieren, mich also über neue Folgen meiner Lieblingskanäle benachrichtigen zu lassen. Was mich davon interessiert, höre ich entweder direkt, oder lade die Folge herunter, um sie später unterwegs zu hören. Denn beispielsweise im Zug ist Zuhören deutlich praktischer als das Hantieren mit einer Tageszeitung.

Mein absoluter Favorit ist aktuell Was denkst du denn? von der Journalistin Nora Hespers und der Philosophin Rita Molzberger. Den beiden für eine Stunde zuzuhören ist eine willkommene Abwechslung, wenn man mal wieder genug von Mansplaining hat. Sie greifen sich pro Folge ein Thema heraus, das sie philosophisch und historisch beleuchten – etwa das Zweifeln. Das ist weitaus vergnüglicher, als man auf den ersten Blick denken könnte – nicht zuletzt, weil sie großen Spaß daran haben, mit Sprache zu spielen. Die Folge zu Zweifel war überschrieben mit „Bröselig und drölfzelnd“, weil wir in einer Zeit leben, in der Gewissheiten bröseln, und wir uns in Entscheidungsprozessen nicht mehr zwischen zwei, sondern schier unendlich vielen Optionen (also drölfzig) entscheiden müssen. Dabei habe ich auch gelernt, warum es brandgefährlich ist, mit Gewissheit zu zweifeln (=>Aluhut-Fraktion), anstatt gelegentlich auch am Zweifel zu zweifeln. Bei der Auswahl ihrer Quellen sind die beiden wenig zimperlich: Nietzsche wird praktisch in jeder Folge zitiert, gerne auch Judith Butler oder Hannah Arendt; aber wenn es der Sache dient, werden auch mal Helge Schneider, das kommunistische Känguru oder Farin Urlaub herangezogen.

Mein zweiter Favorit ist der Zündfunk Generator des Bayrischen Rundfunks. Dort werden gesellschaftliche Themen aufgegriffen – oft von Redakteur*innen mit persönlichem biographischem Bezug, was manches abstrakte Thema deutlich greifbarer macht. Mit Gewinn gehört habe ich z.B. Folgen über White Fragility, toxische Männlickeit, die Theorien von Charles Eisenstein, Deutschlands Geschichte als Kolonialmacht, Cancel Culture oder Misogynie in der rechten Szene. Fehlen darf natürlich auch nicht der alternative Streifzug durch Chemnitz, der mich bei meinem eigenen Erkunden der Stadt begleitet hat.

Podcasts können auch einfach ein alternatives Format sein für Inhalte, die ansonsten in der Zeitung zu lesen oder im Radio zu hören sind. Wenn ich ein paar Tage nicht zum Zeitunglesen komme, behalte ich mit den Podcasts von Süddeutscher Zeitung, Deutschlandfunk und mdr (Medienschau sowie Feuilleton) zumindest den groben Überblick. Die Folgen sind zwischen 3 und 30 Minuten lang – es ist also auch für jede Lücke was dabei.

Ein weiterer Podcast, der mich fesselt ist Deutschland3000. Interviews mit Menschen „irgendwo zwischen Pop und Politik“, bei denen im besten Fall nicht nur die Zuhörer*innen, sondern auch Interviewgäste und die Gastgeberin Eva Schulz etwas Neues lernen. Da war zuletzt etwa das eindrückliche Interview mit der DDR-Zeitzeugin Edda Schönherz über ihre Zeit im Stasi-Gefängnis, eine Folge mit Jasmin Schreiber übers Trauern oder Dr. Mai Thi Nguyen-Kim über die gesellschaftliche Bedeutung von Wissenschaftsjournalismus (zu diesem Genre ebenfalls spannend: Methodisch inkorrekt). Gehört habe ich auch Interviews mit Nico Semsrott – Abgeordneter der PARTEI im Europaparlament oder Margarete Stokowski – deren Beruf laut eigener Aussage ist, „laut darüber nachzudenken, was in unserer Gesellschaft ungerecht ist“. Aber auch Ariane Alter – die wiederum selbst einen Podcast hat (dazu später), Aminata Touré, die 2017 mit gerade mal 24 Jahren für die Grünen in den schleswig-holsteinischen Landtag eingezogen ist. Und natürlich Felix Kummer von Kraftklub, wegen meiner heimlichen, unerklärlichen Sympathie für Chemnitz.

Zu erwähnen ist auch noch Feuer & Brot von Alice Hasters und Maximiliane Haecke. Die Eigenbeschreibung „Freundinnengespräch zwischen Politik & Popkultur“ halte ich für eine schamlose Untertreibung – es geht um Feminismus, Alltagsrassismus und Sexismus, um BIPoC-Perspektiven – etwa den kritischen Blick auf White Saviorism, oder eben auch – ganz aktuell – um Verschwörungsmythen. Auch (oder gerade weil) ich mich dafür wenig empfänglich sehe, fand ich es höchst erhellend, wie die beiden auseinandernehmen, weshalb diese Mythen so eine Sogkraft entwickeln. Erwähnenswert in Sachen Erweiterung weiß-männlich-heterosexuell-ableistischer Denkbegrenzungen sind auch noch Die kleine schwarze Chaospraxis sowie tupodcast.

Apropos Ariane Alter – sie moderiert den S*xpodcast Im Namen der Hose, der in kürzeren oder auch längeren Episoden immer mal wieder meinen Horizont erweitert – auch wenn er sich zugegebenermaßen eher an die Generation U25 zu richten scheint. Mittelalte Menschen, die sich in Sachen Körperlichkeiten inspirieren lassen wollen, finden sich vielleicht eher bei Lvstprinzip von Theresa Lachner, Ist das normal? von ZEIT online oder Zart Bleiben von Fabian Hart wieder.

Es zeichnet sich ab: selbst diese Aufzählung der Podcasts, die ich wenigstens gelegentlich höre, umfasst eine Vielzahl von Menschen und Perspektiven. Es erweitert meinen Horizont deutlich umfassender als Radio und Tageszeitung das tun (wobei ich auf die nicht verzichten wollte!). Und gleichzeitig wittere ich geistigen Inzest, wenn ich merke, dass die oben Genannten sich auch mal in ihren jeweiligen Podcasts gegenseitig interviewen. Vermutlich – so muss ich mir eingestehen – bin ich doch wieder in einer Echokammer gelandet. Aber sie ist durch Podcasts zumindest ein ganzes Stückchen größer und diverser geworden.