Kurzurlaub auf Hofgut Kreuma

Urlaub in der sächsischen Pampa. Ein 160-Seelen-Dorf nördlich von Leipzig, bei dem man gar nicht erst auf die Idee kommt, irgendetwas zu erwarten. Auf AirBnB, booking.com und der Google-Hotelsuche ein unbeschriebenes Blatt. Wer dagegen auf die abwegige Idee kommt, die Tourismussparte der lokalen Gemeindeverwaltung zu konsultieren, stößt über Umwege auf das Hofgut Kreuma – einen Demeter-Hof mit Ferienwohnungen, Hofladen und Bäckerei.

Am Tag der Anfahrt entscheide ich mich spontan, den Zug bereits in Dessau zu verlassen. Die restlichen fünfzig Kilometer radle ich, und bin selbst etwas überrascht von mir. Aber OpenStreetMaps versprach zweieinhalb Stunden Fahrzeit, und da dachte ich mir, das müsste eigentlich zu machen sein. Wem es vor allem auf landschaftliche Schönheit ankommt, wird es auch reichen, erst hinter Bitterfeld loszuradeln – die Fahrt durch die Dübener Heide ist sehr nett. Und Fans lustiger Ortsnamen kommen zuverlässig auf ihre Kosten: Rösa, Spröda, Badrina, Luckowehna. Und dazwischen: Pouch. Home of the pouchpotato.

Bunte Blumen auf Hofgut Kreuma. Abseits der Ferienwohnungen steht auch ein Baumhaus als Unterkunft zur Verfügung.

Vor Ort angekommen, stelle ich mit Schrecken fest, dass ich zu Hause zwar Brot bereitgelegt, aber offensichtlich nicht eingepackt habe. Nach der langen Fahrt habe ich einen Bärenhunger, und ein freundlicher Mensch in der Backstube rettet mich. Ich bekomme unbürokratisch einen Laib Brot in die Hand gedrückt („Ist von gestern, passt so“) und kann mich stärken.
Auf dem Hof wuseln eine Menge sehr junger bis mittel-alter Menschen herum, und man kann auf den ersten Blick nicht erkennen, wer hierhergehört, und wer zu Gast ist. Schön. Ebenso sympathisch: die Ferienwohnung ist mit Massivholzmöbeln ausgestattet, und es gibt – Wahnsinn! – keinen Fernseher. Abends um halb zehn wird das Wuseln etwas weniger, aber in der Dämmerung schleift jemand noch lautstark an irgendetwas herum. Ist ein bisschen wie zu Hause, denke ich mir.

Hofladen und Kinderfahrzeuge-Fuhrpark

Am nächsten Morgen setze ich mich auf den Hof und beobachte das Treiben um mich herum. Ein Dutzend WWOOFer frühstückt an einem großen Tisch, eine Entenmutter watschelt mit ihren Küken vorbei, ein kleines Kind probiert begeistert den umfangreichen Bobbycar-Fuhrpark durch. Menschen schieben freundlich grüßend Schubkarren vorbei, und mir wird ein angenehmer Rollenwechsel bewusst: für den Moment bin ich hier der Gast. So fühlt sich das also an!

Philosophische Einsprengsel am Eingang des Hofladens.

Am Nachmittag wird es auf dem Hof sehr lebendig. Die Wiedereröffnung des renovierten, vergrößerten Hofladens wird mit einem Fest gefeiert, und der Parkplatz füllt sich mit Autos mit Kennzeichen von Hamburg bis München. Die Welt zu Gast in Kreuma. Das beschert uns zwar nicht die erhoffte Urlaubsruhe, aber stattdessen ein supersympathisches, entspanntes Fest mit Pizza aus dem Holzbackofen.

Auch auf Hofgut Kreuma wurde der Lockdown für Renovierungsarbeiten genutzt. Der Hofladen wurde vergrößert und wird während unseres Aufenthalts neu eröffnet.
Vorbereitungen zum Hoffest.

Am Samstag brechen wir zu einem Verwandschaftsbesuch nach Leipzig auf und plündern vorher noch den Hofladen. Sehr angenehm: die Öffnungszeiten sind bestenfalls grobe Orientierungswerte – auch außerhalb dieser Zeiten trifft man häufig jemanden im Laden an und kann schnell etwas besorgen.
Am Abend freunden wir uns noch mit den zwei Schweinen auf dem Hof an und haben dabei Riesenspaß: wenn man sie angrunzt, grunzen sie zurück! Herrlich.

Sieht nach glücklichem Schweineleben aus.

Sonntag radeln wir zum nahegelegenen Werbeliner See, baden dort und sonnen uns. Der See ist – wie in der Gegend so oft – ein ehemaliger Tagebau, und wir erfahren, dass dort bis zur Wende der (seinerzeit) weltgrößte Schaufelradbagger im Einsatz war. Teile des Baggers sind unweit des Sees aufgestellt. Ich stehe zum ersten Mal „live“ vor einem solchen Schaufelrad und bin beeindruckt – von den schieren Dimensionen (der ganze Bagger wog 6500 Tonnen), aber auch davon, wie „handgezimmert“ die ganze Technik wirkt.

gut ausgebauter Radweg am Werbeliner See.
Schaufelrad des Schaufelradschwenkbaggers „SRs 6300.50“. Er war nur von März 1989 bis Dezember 1990 in Betrieb – die Wende durchkreuzte die Pläne für eine längerfristige Nutzung.
Das Schaufelrad scheint aus unzähligen kleinen, von Hand verschweißten Metallplatten zusammengesetzt zu sein (Klick aufs Bild für größere Ansicht).

Auf dem Rückweg kommen wir noch am Schladitzer See vorbei und sind endlos froh, dass wir den Nachmittag nicht dort verbracht haben. Im Gegensatz zum Werbeliner See ist dieser „touristisch“ erschlossen, was bedeutet, dass man sich zwischen Hunderten krebsroter Menschen durchquetscht, die mit Bier gefüllte Plastikbecher durch die Gegend tragen. Der Werbeliner See dagegen – einer von vielen Glücksgriffen auf dieser Reise.

Urlaub auf dem Bauernhof also: supernett. Könnte sein, dass wir das künftig öfters machen.