Was ist vom neuen Fairphone zu halten?
Ein Gastbeitrag von A.
Ich bin stolze Besitzerin eines neuen Fairphones. Noch vor wenigen Wochen habe ich mich mit meinem Sitznachbarn im Zug unterhalten, der auf seinem Fairphone 2 herumtippte. Kein Teil außer Display und Gehäuse seien mehr original, sagte er, alles andere hätte er schon ausgetauscht. Ich hatte viel darüber gelesen, dass Fairphone zwar leicht zu reparieren sei, aber leider auch oft kaputt ginge. Ein Smartphone für Idealisten, war der Tenor von Tests und Berichten – Menschen, denen es so wichtig ist, etwas Gutes für die Welt zu tun, dass sie bei der Funktionalität vielleicht sogar Abstriche machen würden. Ich hatte mein Fairphone 3 bereits direkt beim Hersteller bestellt und wartete darauf, dass es geliefert würde. Ich bin also wohl so eine Idealistin. Dennoch hoffe ich, dass die Kinderkrankheiten der ersten beiden Generationen behoben sind und mir das Telefon einige Jahre treue Dienste leisten wird.
Anschaffungsüberlegungen
Das Fairphone 3 ist groß. Es ist auch ein wenig klobig und vom Design her kann es auch nicht mit seinem Vorgänger mithalten. Das war ein HTC One M8, viel flacher und smoother, ich fand es schick. Es hatte aber immer wieder den Fehler, dass es manchmal einfach „starb“. Es ging aus und ließ sich auch nicht wieder starten – schon blöd, wenn man gerade ein Bild am Berg machen möchte, auf den man sich stundenlang herauf gequält hat, oder nachts von einer unvertrauten Ecke der Stadt zur Unterkunft finden möchte und auf Navigation angewiesen ist. Ich hatte irgendwann genug davon und da auch immer wieder ein Problem mit überfülltem internen Speicher hinzu kam, beschloss ich, dass etwas Neues her musste.
Gebraucht kaufen ist prinzipiell besser als neu kaufen – daher überlegte ich, bei einem der vielen Anbieter für gebrauchte Smartphones eines zu erwerben. Ich kenne mich aber tatsächlich wenig mit dem Stand der Technik aus, wie viel Speicher ich brauche, welche Kamera, welches Modell besonders schick ist. Die Auswahl überforderte mich. Außerdem war ich skeptisch. Das aktuelle Smartphone in meiner Hand war auch ein Gebrauchtkauf gewesen und hielt tapfer zwei Jahre durch. Aber nun war eben die Funktionalität doch stark eingeschränkt – zwar nur manchmal, dafür meist in einem unpassenden Moment. Irgendwie ist es doch auch nicht nachhaltig, ständig ein neues Gebrauchtes zu kaufen, oder? Ich liebäugelte mit Fairphone und beschloss, dass es eine sinnvolle Anschaffung wäre, ein Smartphone für die nächsten Jahre, reparierbar und auf einem aktuellerem Stand anstelle des ewigen Gebrauchten.
Erster Eindruck
Nach zwei Monaten Lieferzeit – ein Monat war mir angekündigt worden, aber das verzögerte sich dann noch – hielt ich es endlich in den Händen. Groß und klobig, so der erste Eindruck. Durch das halbtransparente dunkelgraue Plastikgehäuse sieht man hinten die Komponenten wie Akku und Steckplätze für Mini-SD- und zwei Nano-Sim-Karten. Der Bildschirm ist nicht randlos (das hatte ich aber bei meinem alten Smartphone auch nicht), und das ganze Ding hat schon irgendwie die Optik eines Klotzes. Der „Bumper“ aus dunkelgrauem Plastik macht das Aussehen auch nicht athletischer oder zarter – ganz im Gegenteil. Aber nun ja, es ist ein Gebrauchsgegenstand und kein Design-Objekt und es ist nun auch nicht direkt hässlich, nur etwas klobig.
Beim ersten Starten fällt auf, wie sehr Google über Android auch hier verankert ist. Nachdem ich den Migrationsdienst von Google in großen Teilen verweigere, suche ich mir mühsam eine App, die meine Telefonkontakte rüber zieht, ohne, dass ich die Telefonnummern und Namen auf Google-Servern zwischenspeichere. Erste Apps sind schnell eingerichtet und mir fällt auf, dass Google meine Fotos verwaltet, die Bildschirmtastatur von Google ist und eine eingebaute Google-Suche hat, fast alles an dem Telefon scheint mit Google verwoben. Den Google-Search-Bar von der Startseite bekomme ich erst nach langer Recherche weg, in dem ich mir eine neue Launcher-App (namens, Achtung: „Lawnchair“) installiere. Muss man halt erst wissen oder eben ewig recherchieren.
Positiv finde ich, dass es daneben keine Zwangsapps (außer eben einigen von Google) gibt, die ich nicht deinstallieren kann, ohne das Gerät zu rooten. Das traue ich mir nämlich nicht zu und musste mich dann bei vorherigen Smartphones mit Fitbit, Facebook, Twitter und dergleichen rumschlagen, weil sie zu den Systemprogrammen gehörten. Fairphone ist sehr viel sparsamer bei den vorinstallierten Apps.
Später, als ich meinen ersten neuen Kontakt hinzufügen will, fällt mir auf, dass ich diesen nur zu meinen Google-Kontakten hinzufügen kann oder zu den Kontakten meines Email-Anbieters. Mir fehlt die Option „einfach auf dem Telefon speichern“ und ich sehe gleichzeitig, dass meine mühsam alle ohne Google migrierten Kontakte nun auch Google-Kontakte sind, diese Mühe also komplett sinnfrei war. Wähle ich mit meiner neuen, freien Kontakt-App nun die Option „Gerätespeicher“ steht da: „Nicht sichtbar für andere Apps“ – diese Option fehlt bei der Standard-Kontakte-App von Google völlig.
Eine Entdeckung – ein alternativer App-Store
Was meine ich mit neuer freier Kontakte-App? Wie bin ich dazu gekommen, Googles Omnipräsenz in Frage zu stellen? Das neue Handy in der Hand legte ich natürlich gleich los und überlegte, welche Apps ich jetzt haben wollte. Die diversen Messenger sind schnell installiert, dann ließ ich mir etwas Zeit. Und das war auch gut, denn mein Lieblingsmensch wies mich auf einen alternativen App-Store hin mit freier Software, die mich noch dazu nicht ausspäht. Es ist so einiges bekannt geworden, von App-Bestandteilen, die ganz bewusst Gesprächsfetzen mitschneiden, bis hin dazu, dass Facebook weiß, wann ich blute, falls ich den falschen Menstruationstracker verwende.
Nun also ein App-Store voll mit Software, die nicht einen Zugriff auf alle Funktionen will, die mein Smartphone so zu bieten hat. Das ganze nennt sich F-Droid und lässt sich einfach auf https://f-droid.org herunterladen. Schwupps, ich habe eine Galerie-App gefunden, die nicht mit Googles Fotodienst verwoben ist und wo ich schon mal dabei bin, darf es dann auch ein „freier“ Launcher („Open Launcher“) sein und ich schmeiße den aus Googles Playstore wieder vom Telefon. Eine verrückte Idee: Die Apps zeigen mir nicht ständig Werbung an und sammeln auch nicht meine Daten. Irre, ich bin total begeistert und installiere mir munter Sachen aus dem fairen App-Store. Zugegeben, die Menstruationsapp „Periodical“ sieht sehr viel weniger schick aus als die „unfaire“ und hat wohl auch nicht so viele Funktionen, aber das nehme ich doch gern in Kauf, weil ich die Funktionen gerade nicht brauche und mir nun sicher bin, dass meine Daten nicht einfach irgendwo landen.
Werden wir Freunde?
Es macht Spaß, das neue Telefon. Nichts hakt, zumindest habe ich noch nichts bemerkt und das alte hakte in letzter Zeit oft. Die Kamera scheint tatsächlich schlechter als beim uralten HTC One M8. Aber darauf hatte ich mich schon eingestellt. Die Bilder, die ich bisher gemacht habe, sind alle gut geworden. Ich konnte das Fairphone auch gleich bei einem Workshop „Filmen mit dem Smartphone“ ausprobieren und auch die Filme können sich sehen lassen, wenn auch das Bild hin und wieder leicht flackert. Ich habe noch nicht herausgefunden, woran das liegt. Aber wenn ich Profi-Filme machen möchte, nehme ich wohl auch nicht das Telefon. Da ich noch eine Digitalkamera besitze, kann ich für alles, was richtig gut werden soll, ja diese benutzen.
Mir gefällt der Fingerabdrucksensor, der auf der Rückseite angebracht ist. Wenn ich das Fairphone in die Hand nehme, kann ich es so gleich entsperren. Den hatte mein altes Telefon nicht, aber gut, das ist ja mittlerweile auch Standard. Und hätte ich ihn gebraucht? Tja, weiß nicht.
Was mir nach ein paar Tagen negativ auffällt ist, dass es keine Benachrichtigungs-LED gibt. Es gibt eine LED, die anzeigt, ob das Fairphone lädt. Aber ob ich eine neue Nachricht habe, erfahre ich so nicht. Mich hat das erst sehr geärgert, da ich davon ausgegangen bin, dass jedes Telefon diese simple Funktion hat. Inzwischen überlege ich, ob das fehlende Blinken nicht auch eine Wohltat ist. Kein blinkendes Smartphone mehr, auf dass ich dringend einen kurzen Blick werfen muss. Hat auch was…
Ich glaube, wir werden schon allein deshalb Freunde, weil das Ding funktional ist. Es macht alles, was es soll. Ich habe keine besonderen Ansprüche: Telefonieren, Nachrichten schreiben, mal was im Internet nachschauen, mal schnell ein Bild von etwas machen, vielleicht mal ein Video auf Youtube schauen, ab und zu ein Ticket buchen und damit vorzeigen können. So Basic-Funktionen eben. Ich hoffe, es hält eine Weile und muss nicht mit Samthandschuhen angefasst werden, denn mir fällt ein Telefon schon auch gern mal runter oder so. Der unansehnliche Bumper bleibt also dran. Vieles wird sich wohl erst mit der Zeit zeigen. Hier und jetzt kommen wir gut miteinander aus.