Adieu Maik!

Maik, das Twike hat einen neuen Eigentümer. Über den Abschied von einem Elektrofahrzeug, das auch mehr als zwanzig Jahre nach der Markteinführung noch seiner Zeit voraus ist.

Dass ich zum ersten Mal in einem Twike saß, ist wohl fast zehn Jahre her. Damals bin ich täglich 18 Kilometer zur Arbeit gependelt – eine ideale Strecke für ein Elektroauto, möchte man meinen. Also habe ich eine Twike-Probefahrt gemacht, den Traum allerdings schnell wieder losgelassen angesichts eines Kaufpreises ab 34’000 Euro. Auch einen CityEL hatte ich ernsthaft ins Auge gefasst – und den Kauf ebenfalls verworfen. Die Einsicht war schlicht: auf dem Weg in die Stuttgarter Innenstadt steht man im Stau – egal ob mit Benzin- oder Elektromotor. Also habe ich mir stattdessen eine Jahreskarte für die Stuttgarter Straßenbahnen gekauft.

Interessant wurde die Sache dann wieder 2014 nach meinem Umzug in den Harz. In den nächstgrößeren Ort fuhr der Bus nur wenige Male am Tag, und abends zum letzten Mal gegen 18 Uhr. Um abends etwas zu unternehmen, war man also zwingend auf ein Auto angewiesen – und das Twike kam mir wieder in den Sinn. So kam ich also zu Maik – damals bereits neun Jahre alt und damit „halbwegs“ erschwinglich (den „ostigen“ Spitznamen hatten wir ihm angesichts meines Umzugs nach Sachsen-Anhalt verpasst).

Mit einem neuerlichen Umzug 2016 an meinen jetzigen Lebensmittelpunkt verlor das Twike wieder an Bedeutung: die Innenstadt in Fahrradnähe, der Bahnhof ebenso – und ein gemeinschaftseigenes Carsharing. Damit war das eigene Fahrzeug im Grunde wieder obsolet. Trotzdem hielt ich lange daran fest, weil ich es als ideale Ergänzung zu den (benzingetriebenen) Autos in unserem Carsharing sah. Als ich Ende 2018 die Fahrtenbücher unseres Carsharings durchging, bestätigte sich das im Grunde: 50% der Fahrten waren maximal zehn Kilometer weit (also in die Stadt bzw. zum Bahnhof); 95% der Fahrten waren unter 100 Kilometern. Das heißt: abgesehen von umfangreichen Transporten vom Baumarkt oder Fahrten mit mehr als zwei Personen (eher selten) hätte man einen Großteil dieser Fahrten mit dem Twike abdecken können. Warum hat das trotzdem nicht geklappt?

Zum einen war die Gemeinschaft eher skeptisch gegenüber diesem „Raumgefährt“: die Bedienung ist im Vergleich zu einem „normalen“ Auto recht gewöhnungsbedürftig. Die meisten, mit denen ich eine Probefahrt unternahm, scheuten die Umgewöhnung oder fühlten sich nicht ausreichend sicher (im Sinne von: das Fahrzeug sicher beherrschen). Ein paar wenige gab es auch, bei denen ich Zweifel ob der pfleglichen Behandlung hatte und die Anfragen daher ausschlug. Einige schreckte der hohe Fahrzeugwert ab. Ich hatte seinerzeit 19’500 Euro bezahlt und eine Vollkasko-Versicherung war anfangs unerschwinglich. Für manche wäre ein Unfall einem privaten Bankrott gleichgekommen. Und dann wuchs auch meine Sorge um ausufernde Reparaturen bei unsachgemäßer Nutzung. Manche Reparaturen kann man selbst machen – die Ersatzteilversorgung über den Hersteller ist sehr unkompliziert. Für andere hätte ich allerdings zum nächsten Twike-Stützpunkt gemusst (100 Kilometer entfernt in Leipzig), für größere sogar bis zum Hersteller Richtung Marburg. Schlimmstenfalls wäre ich also mehrere Tage unterwegs gewesen – das wollte ich mir nicht antun.

Dem gegenüber steht, dass das Twike – lässt man sich einmal auf die eigenwillige Bedienung ein – im Grunde das perfekte Öko-Fahrzeug ist: es wiegt um die 400 kg (statt 1,5 Tonnen wie etwa der Renault Zoe) und verbraucht entsprechend nur ca. 6 Kilowattstunden pro 100 km (das entspricht ca. 0,7 Litern Benzin auf 100 Kilometer). Natürlich bekommt man beim Zoe vier Sitze und mehr Reichweite – aber die nutzen wir ja in den seltensten Fällen, wie die Auswertung unserer Fahrtenbücher belegt. Trotzdem ist das Twike nie aus der Nische herausgekommen. Es scheint seiner Zeit voraus zu sein – auch zwanzig Jahre nach der Markteinführung.

So richtig warm wurde meine Gemeinschaft also nicht mit dem Twike, und ich selbst benutzte es auch nur noch wenig – etwa einmal pro Woche. So habe ich mich im Frühjahr schließlich schweren Herzens für den Verkauf entschieden. Zwei weitere Faktoren spielten da mit hinein: der Akku war zwischenzeitlich elf Jahre alt – in tadellosem Zustand zwar, aber ein Neukauf hätte irgendwann eine fünstellige Summe verschlungen. Außerdem läuft die Entwicklung des Nachfolgemodells Twike 5 auf Hochtouren – und ich fürchtete einen weiteren Wertverlust, sobald der Nachfolger auf den Markt käme.

Fünf Monate sind seither vergangen, und soeben ist der neue Eigentümer mit dem Twike vom Hof gerollt. Zurück bleibt eine leere Garage und ich mit sehr, sehr wehmütigem Herz.

Trotzdem war die Entscheidung – rein rational – richtig. Ein Fahrzeug, das die meiste Zeit herumsteht, ist weder wirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll – so sparsam es im Betrieb auch sein mag. Ein Elektro-Fahrzeug zu finden, das laien- und alltagstauglich ist und damit andere Gemeinschaftsmitglieder motiviert, ihr Privatauto loszulassen, ist also mein nächstes Ziel. Den drei Carsharing-Autos stehen nämlich dreißig Privat-PKWs gegenüber, von denen einige ebenso selten bewegt werden wie zuletzt mein Twike. Da mag Bequemlichkeit eine Rolle spielen und das irrationale Sicherheitsbedürfnis, jederzeit losfahren zu können – sinnvoll und einem „Ökodorf“ angemessen ist es nicht.

Sicher werden wir bei der Suche nach einem Nachfolger der Versuchung widerstehen müssen, ein Fahrzeug mit hoher Reichweite zu kaufen. In der Praxis würde das bedeuten, bei den vielen, vielen Kurzstreckenfahrten einen unnötig großen Akku herumzufahren (mit allem Energieaufwand und aller Umweltzerstörung, die für die Produktion nötig war). Die wenigen Langstreckenfahrten, bei denen ein Benzinauto ersetzt würde, fallen dagegen kaum ins Gewicht.

Es bleibt also kompliziert: das Elektrofahrzeug, mit dem man unbefleckten Öko-Gewissens in die Stadt fahren kann, gibt es nicht. Die Umwelteinflüsse von Fahrzeug- und Stromproduktion müssen immer einberechnet werden. Im Grunde wird sich also wenig ändern: kurze Strecken mit dem Rad fahren, lange mit dem Zug. Für alles dazwischen behält das Auto – egal mit welchem Kraftstoff – in begrenztem Maß seine Berechtigung, etwa für größere Transporte oder Fahrten an entlegene Ziele.